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Stubaital
Wer an dem ländlichen Frieden eines reizenden Thales, der von keinem grellen Bilde der Armut getrübt wird, Vergnügen findet, wer großartige Natur-Erscheinungen ohne Aufwand vieler Anstrengungen; wer insbesondere herrliche Wasserfälle und die ganze Pracht einer gewaltigen Eiswelt zu sehen wünscht, gehe nach Stubei. (Johann Jakob Staffler, 1842)
Das Stubaital ist das größte Seitental des Wipptales und gleichzeitig das Haupttal der Stubaier Alpen. Südwestlich von Innsbruck mündet der Hauptfluss des Tales, die Ruetz, unterhalb der Brennerstraße bei der Stefansbrücke in die Sill. Bis Fulpmes liegen die Siedlungen beidseitig der Ruetz auf Terrassen; ab Fulpmes teilt sich das Tal in Unter- und Oberbergtal.
Die ältesten Siedlungsspuren fand man im Bereich des Muiggenbichls bei Telfes (aus der Frühbronzezeit ca. 1600 – 1500 v. Chr.). 15 v. Chr. drangen die Römer ins Stubai vor. In der Nähe von Schönberg fand man ein Stück der alten Trasse der Via Claudia Augusta sowie einen römischen Meilenstein. Im 6. Jh. n. Chr. kam es zur bayerischen Landnahme, die rätoromanische Sprache blieb jedoch im Stubai sehr lange erhalten, daher auch die vordeutschen Flur- und Ortsnamen, die hier gehäuft auftreten (Mieders, Telfes, Fulpmes, Luimes). Darauf weist bereits Ludwig Steub in seinen Reisebeschreibungen Drei Sommer in Tirol. hin, wenn er sagt: "Es ist wahrscheinlich, daß im vierzehnten Jahrhundert selbst noch in einigen Gegenden von Nordtirol, z. B. Stubai, wälsch gesprochen wurde." (Ludwig Steub, Drei Sommer in Tirol, 3. Band, S. 235). Die erste urkundliche Erwähnung erfolgt zwischen 994 und 1000 v. Chr. als Stupeja., damals zur bayerischen Grafschaft im Inn- und Eisacktal gehörig. Ein eigenes Gericht ist seit 1326 belegt; Sitz war in Telfes. Später wurde er nach Mieders verlegt, wo das Gericht bis 1923 bestand.
Das Stubaital, an einer der wichtigsten Handels- und Reiserouten gelegen, war von jeher Anziehungspunkt für Reisende und Ausflügler. Kaiser Maximilian I. unternahm zahlreiche Jagdausflüge, ließ 1515 in Neustift gar eine Kapelle errichten.
Die ersten Reisenden, die sich ins Stubai begaben, waren die Wallfahrer nach Maria Waldrast; ab dem 17. Jahrhundert kamen die ersten Sommerfrischler.
Der Fremdenverkehr setzt hier sehr früh sein, bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erscheint ein Tourismusführer von Bartholomäus Beyer. Entscheidenden Anteil an der Entwicklung des Fremdenverkehrs im Stubaital hatte der Neustifter Pfarrer Franz Senn, der eigentlich gebürtiger Ötztaler war. Er gab den Startschuss für die Gründung des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins. Bereits im Jahr 1875 wird mit der Dresdner die erste Hütte eröffnet; 1884 folgt die Innsbrucker Hütte, 1885 die Franz-Senn-Hütte unterhalb des Alpeiner Ferners.
1904 wurde die Erreichbarkeit des Tales mit dem Bau der Stubaitalbahn erheblich erleichtert. Mit dem Bau der Europabrücke in den Jahren 1959 bis 1963 schloss sich das Stubaital an das europäische Reisenetz an. Der Tourismus ist auch heute noch neben der Metall verarbeitenden Industrie Hauptwirtschaftsfaktor. Das Schmiedehandwerk in Fulpmes wird bereits in der ersten Landesbeschreibung Tirols, dem Tiroler Landreim (1558) von Georg Rösch von Geroldshausen erwähnt. Dem Bergbau war jedoch nur ein mäßiger Erfolg beschieden, wenngleich er für Neustift von gewisser Bedeutung war. In Fulpmes entstand im 18. Jahrhundert eine bescheidene Kleineisenindustrie.
Telfes war ursprünglich Talpfarre und wird erstmals in einer Urkunde von 1133 als tellevo (indogermanische Wurzel mit der Bedeutung von „nutzbarer Boden“) erwähnt, 1254 erneut in einer Urkunde des Bischofs Bruno von Brixen, in der er von den pleberani (Pfarrleuten) de Stubay spricht. In Neustift erbaut der berühmte Kirchenbaumeister Franz de Paula Penz eine neue Pfarrkirche, die Kapelle von 1515 (Kaiser Max) war zu klein geworden. 1768 begann man mit deren Erbauung, am 15.6.1780 wird die zweitgrößte Kirche Tirols vom Brixner Fürstbischof Josef Graf Spaur geweiht. Viele weitere Kirchenbauten im Stubaital werden von Franz de Paula Penz ausgeführt: Schönberg, Fulpmes und Telfes, sowie der Neubau der Medrazer Kirche. Er stirbt, nachdem er die letzten Lebensjahre als Pfarrer von Telfes zugebracht hat, im Jahr 1772 ebendort.
Der Schützenhauptmann Michael Pfurtscheller aus Fulpmes im Stubaital war einer der Tiroler Helden des Freiheitskampfes gegen die Franzosen und Bayern und kämpfte an der Seite von Andreas Hofer.
Literarische Zeugnisse aus dem und über das Stubaital stammen aus der Feder von Reiseschriftstellern wie Ludwig Steub, Johann Jakob Staffler und Beda Weber. Der Innsbrucker Rechtshistoriker Julius von Ficker machte durch seine Erstbesteigung des Wilden Freiger im Stubaital von sich reden. Ein berühmter Luimeser Bildhauer ist Ludwig Penz (1876 – 1918).
Ludwig Hupfauf gründet 1903 das Stubaier Bauerntheater.
Als Wallfahrtsort zieht die Kirche Maria Waldrast seit ihrer Gründung viele Gläubige an. Ludwig Steub hat sich auf seiner Reise durch Tirol sein eigenes Bild gemacht:
"Das Marienbild, eine fünfundzwanzig Zoll hohe Statue von Lärchenholz, soll zuerst in einem Baum gewachsen, von frommen Hirten am Ostersamstag 1407 entdeckt und in der Kirche zu Matrei aufgestellt worden sein. Später sah ein armer Holzhacker im Traume eine hohe Frau in weißem Kleide mit dem Kindlein auf dem Arme, welche ihm bedeutete, daß er für das Bild eine Capelle auf dem Serlesberg erbauen solle. Die Capelle erstand und wurde bald eine blühende Wallfahrt. Erzherzog Leopold stiftete hier 1621 ein Kloster, das seine Tante Anna Katharina, die Erzherzogin, welche die Serviten aus Italien nach Innsbruck verpflanzt hatte, diesem Orden übergab. […]
Ohne Rücksicht auf so viele fürstliche Aufmerksamkeiten hat aber Kaiser Josef II. die Wallfahrt 1785 gleichwohl aufgehoben. […] das Gnadenbild in die Kirche von Mieders versetzt und die Gebäude abgebrochen […]
Aber das Volk ging noch immer hinauf zur Waldrast, obgleich das Bild unten zu Mieders im Exile war.
Nach sechzig langen Jahren kamen auch die Serviten von Innsbruck wieder auf den Berg, betrachteten sich die Stelle und fanden, daß da gut wohnen sei. […] und trugen im Jahre 1846 das Gnadenbild wieder von Mieders nach Waldrast.
Es ist bekannt, daß der Jesuit Balde eine etwas schwülstige Ode auf die Waldrast (Silva quietis) gedichtet, und daß Herder diese übersetzt hat. […]
Übrigens sollte man glauben, ein Ort, der so viel gefeiert, verehrt und besungen worden, müßte auch sonst durch seine Lage, durch seine schöne Aussicht, durch irgend etwas Besonders vor anderen hervorragen, allein dem ist nicht also. Das Heiligtum liegt einsam auf einer grasigen Halde, zwischen Fichtenwald und Alpenmatten. Sein einziger Schmuck ist die Serlesspitze, die in kahler Erhabenheit über ihm aufragt; sonst ist eigentlich nichts zu erschauen. Der Blick geht weder in das Stubaierthal hinab, noch ins Wipptal oder in die Schlünde der Sill. So kann man immerhin sagen: Auf der Waldrast sieht man zwar nichts, doch verdient sie gesehen zu werden." (Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, 1871)
Quellenangabe: Jakob Staffler: Tirol und Vorarlberg. 1. Band, 2. Heft, Innsbruck 1892.
Falser, Günter: Die NS-Zeit im Stubaital. Studien-Verlag: Innsbruck, Wien 1996.
Gemeinde Schönberg (Hsg.): Schönberg einst und jetzt. Lanarepro: Lana 2013.
Pfaundler-Spat, Gertrud: Tirol-Lexikon. Ein Nachschlagewerk über Menschen und Orte des Bundeslandes Tirol. Vollständig überarbeitete und ergänzte Neuauflage. Innsbruck: StudienVerlag 2005.
Pinzer, Beatrix und G.: Das Wipptal und seine Seitentäler. Eine Reise von Innsbruck bis zum Brenner in Wort und Bild. Loewenzahn in der Studienverlag Ges. m. b. H.: Innsbruck 2002.
Klier, Heinrich und Walter: Stubai – schönes Tal. Fotos von Ludwig Mallaun. Innsbruck: Edition Löwenzahn 2000.
Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. Zweite vermehrte Auflage. Zweiter Band. Stuttgart: Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung 1871.
Töchterle, Karlheinz und Luis: Neustift im Stubaital – Heimat und Destination, Innsbruck 2008.
http://de.wikipedia.org/wiki/Stubaital
Verfasser/in: Jennifer Moritz
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