Alfred Kerr ist vor allem als einer der bedeutendsten deutschen Literaturkritiker vielen ein Begriff. Weniger bekannt sind seine Reisefeuilletons. Kerr war leidenschaftlicher Weltenbummler, zumindest drei Monate des Jahres verbrachte er auf Reisen. Reiseerlebnisse flossen (so scheint es) unvermittelt in Reiseaufzeichnungen. Immer wieder betont Kerr die Bedeutung des tatsächlichen Erlebens für seine Reiseschilderungen. „Dies Buch enthält Quittungen für Erlebtes. […] Der Kern: Sichtbare Beschwörung irdischen Bestands.“, schreibt er im Vorwort zu seinem Reisebuch Es sei wie es wolle, Es war doch so schön (1928). In einem seiner Berliner Briefe, die in der Breslauer Zeitung erschienen, schreibt er im August 1900: „Ich glaube, daß belebte Landschaft wertvoller ist als unbelebte; und das menschliche Dinge uns stärker fesseln als sachliche Schilderungen. […] daß wir noch am ehesten solche Dinge erzählen können, an denen wir inneren Anteil genommen. Und daß es am anständigsten ist, keine anderen Dinge zu erzählen als eben solche. Es kommt nicht darauf an, daß ich die Dinge erlebt habe. Sondern darauf allein: daß jemand Dinge erzählt, die er erlebt hat.“ Das persönliche Erleben kennzeichnet den Stil der Schilderungen, die assoziativ, sprunghaft, flüchtig, subjektiv, durch den schweifenden Blick des Flaneurs bestimmt sind. Beschwört der Dichter in ihnen vor allem das „Irdische“, zieht er darin das unmittelbar Erfahrene, die Wirklichkeit, das Leben dem Vermittelten, dem Theater, der Kunst vor, so sind seine Wahrnehmungen dennoch gebrochen durch einen an Texten geschulten und durch Literatur gefilterten Blick, sind beschriebene Orte und Menschen literarische Inszenierungen, vielbezüglich. Tirol und vor allem Südtirol haben den Berliner Literaturkritiker immer wieder angezogen, schon 1900 unternahm er gemeinsam mit Arthur Schnitzler, Richard Beer-Hofmann und Paul Goldmann eine Alpenreise. Niederschlag fanden seine Tirol-Aufenthalte in der Textsammlung Das schönste Deutschland liegt am Brennerhang sowie dem Toblacher Brief (unter den Berliner Briefen).