Franz Tumler

: Forschungsinstitut Brenner-Archiv : Literatur Landkarte Tirol

Startseite

AutorIn

Quellen

Suche

Alles anzeigen

Biografie

Bücher

Bilder

Beiträge (Auswahl)

Radiobeiträge

Auszeichnungen

Sekundärliteratur (Auswahl)

Tondokument

Nachlass/Vorlass

Druckansicht

Franz Tumler

von Barbara Hoiß

Geb. 16.01.1912 in Gries/Bozen; gest. 20.10.1998 in Berlin.

Besonders geprägt wird Franz Ernest Aubert Tumler durch die Vaterheimat Südtirol, in der er selbst nur sein erstes Lebensjahr verbringt. Die Mutter übersiedelt nach dem Tod des Vaters, des Gymnasiallehrers und Sprachforschers Franz Tumler sen., nach Linz, wo Tumler die Schule besucht und von seinem Stiefvater, der auch Lehrer ist, dazu angehalten wird, genau zu beobachten und Erlebtes zu beschreiben. Der Großvater Josef Fridrich ist Buchdrucker in Ried i.I. und später in Linz. Alois Th. Sonnleitners Höhlenkinder und vor allem Adalbert Stifter zählen zu den ersten Leseerfahrungen und Vorbildern Franz Tumlers.

Mit 14 Jahren besucht er die Verwandten in Laas, Schlanders und Bozen. Südtirol beeindruckt ihn nachhaltig, was sich in seiner ersten Erzählung Das Tal von Lausa und Duron niederschlägt. Das Zusammentreffen von italienischer, deutscher und ladinischer Sprache und Kultur wird am Beispiel eines Dorfes zur Zeit des Ersten Weltkriegs und konkret an einer Familie inszeniert, wobei Scheitern der Heimatfindung die Erzählung bestimmt. Der unerwartet große Erfolg ebnet Tumler den Weg für sein literarisches Schaffen während des Zweiten Weltkriegs. Tumler ist schon früh bekennender Nationalsozialist und seine politische Einstellung fließt in Werke wie Der Soldateneid oder Österreich ist ein Land des deutschen Reiches ein. Neben Paul Alverdes, der Tumlers erste Erzählung in der Zeitschrift Das Innere Reich veröffentlicht, sind es Gertrud Fussenegger, Graf von Thun Hohenstein, Bruno Brehm, Sepp Keller, Jürgen Eggebrecht und Josef Weinheber, mit denen er in der Kriegs- und Nachkriegszeit Kontakt pflegt. 1941 meldet er sich freiwillig zum Kriegsdienst und siedelt sich nach der Rückkehr aus Krieg und Gefangenschaft, die er in seinem Roman Heimfahrt aufarbeitet, in Hagenberg (OÖ) an.

In Oberösterreich kämpft Tumler darum, als Autor wieder Fuß zu fassen, was aufgrund seiner nationalsozialistischen Vergangenheit nicht leicht ist, stehen seine Bücher (z.B. Österreich ist ein Land des deutschen Reiches)doch auf der Verbotsliste. Zuerst veröffentlicht er nur kleinere Arbeiten wie Es war einmal etwas Gutes geschehen (1947). Wichtig für seinen Erfolg sind aber Ein Schloß in Österreich (1953) und Der Schritt hinüber (1956) sowie Der Mantel (1959) und Aufschreibung aus Trient. Ab 1956 beginnt ein neuer Abschnitt im Schreiben Tumlers, auch wenn er bestimmte Eigenheiten seines Erzählens durchhält, wie z.B. die geographische Verortung oder die Einfachheit der Verben.

Tumlers dritte literarische Heimat wird Berlin: Dort schließt er Freundschaft mit Gottfried Benn und wird zu Treffen der Gruppe 47 eingeladen. Er wird Mitglied und in den 1960er Jahren Leiter (Abt. Literatur) der Berliner Akademie der Künste. Öfters besucht er Südtirol und Oberösterreich. In Südtirol entwickelt sich Tumler zu einer Schlüsselfigur der Literaturszene. Norbert C. Kaser sagt über ihn: Ich habe zwar etwas gegen Betitelungen, aber er ist der Vater unserer Literatur und der Vater unseres Erkennens. Er bietet mit seinem Werk Aufschreibung aus Trient eine breite Diskussionsbasis für die politischen Probleme rund um den Konflikt zwischen Deutschsprachigen und Italienern in Südtirol in den 1960er Jahren. Nach einem Schlaganfall 1973 kann Tumler nur mehr Gedichte schreiben und stirbt 1998 in Berlin.

Die ersten Texte tragen noch märchenhafte Züge und Tumler lässt sich auf einen pathetischen Stil ein, wie er in der Zeit des Nationalsozialismus Verwendung findet. Sein Schreiben mutet oft wie ein Beschreiben an, in diesem Punkt folgt er den Spuren Stifters. Er konzentriert sich vor allem in den Texten nach Ein Schloss in Österreich auf Ausdruck und Sprache, reflektiert in Texten den durchlaufenen Schreibprozess und findet zu einer Art Metasprache. Als Höhepunkt dieser Entwicklung kann Volterra. Wie entsteht Prosa? (1962) bezeichnet werden. Mit der Anwendung neuer Schreibformen, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, distanziert sich Tumler von seinem eigenen Schreiben im Nationalsozialismus und wird heute zu Recht als Autor der Moderne gehandelt. Besonders bemerkenswert sind die Erzählhaltung in Der Mantel und das Prosagedicht Sätze von der Donau. Der Erzähler wirkt selbst so unsicher, dass er dem Leser keine Chance bietet, in ihm eine Identifikationsfigur zu finden. Ständig werden Wissen und Erkenntnisse in Frage gestellt. Ein Hinweis auf die literarische Entwicklung ist die Beschäftigung Tumlers mit dem Nouveau Roman.

Oft arbeitet er mit Verweisen auf Stifter. Vor allem Stifters Rückzug auf die Genauigkeit und Langsamkeit nimmt sich Tumler zu Herzen. Tumler muss immer aufs Neue heimisch werden und greift deshalb in seinen Texten die drei sein Leben bestimmenden Landschaften Südtirol, Oberösterreich und Berlin auf.

Weitere Informationen zu diesem Autor finden Sie im Bibliothekskatalog des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum.