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Franz Alfons HelmerGeb. 02.08.1876 in Gwabl bei Lienz; gest. 09.11.1945 in Innsbruck.
Als ältestes von neun Kindern musste Helmer bereits mit 5 Jahren sein Brot als Hüterbub verdienen. Mit 15 Jahren trat er bei seinem Onkel in Mittersill im Pongau als Schumacherlehrling ein, gab diese Stelle aber bald auf und arbeitete als Senner, Jäger, Gärtner, Ziegelbrenner, Handlanger, Bergarbeiter, Kanalräumer und Bauernknecht. Noch nicht achtzehnjährig ging er zur Eisenbahn, wo er bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs verblieb. Im Krieg Leiter einer militärischen, später Kommandant einer Eisenbahnstation in Polen. 1923 trat Helmer in den Ruhestand und lebte mit seiner Frau Anna in einem Gartenhäuschen in Schloss Amras, dort ist er auch gestorben.(1)
Knapp dreißigjährig - er war damals Eisenbahnarbeiter im Südbahnfrachtenmagazin in Innsbruck - begann er mit seinen schriftstellerischen Arbeiten, u.a. als Mitarbeiter der Arbeiter-Zeitung. 1905 kam er mit Ludwig von Ficker in brieflichen und persönlichen Kontakt. Aus diesen Briefen erfahren wir, dass Helmer damals an mehreren Stücken (u.a. Vinzenz und die Andern, Kirchen-Erbauer, Bekehrungseiferer) arbeitete, 1908 berichtet er von zwei fertiggestellten Romanen: Vorm Eisenbahnunglück; Die Lehrerin von St. Veit (alle verschollen). 1910 bot er Ficker eine Novelle Vagabundenfrechheit für den Brenner an, auch einen Aufsatz über Tolstoi wollte er dort veröffentlichen. Dazu ist es ebensowenig gekommen, wie zu einer Aufführung seiner Stücke durch die Exl-Bühne. Max Reinhardt, damals Direktor des Deutschen Theaters in Berlin, forderte ihn auf, eines seiner Stücke einzusenden, geworden ist daraus nichts.(2) An Selbstbewusstsein mangelte es Helmer aber nicht. 1911 schrieb er an einem neuen Stück Glaube und Liebe mit dem er Schönherrs Glaube und Heimat übertreffen wollte.(3) Der Plan einer eigenen Kunstzeitschrift im Jahre 1911, in der er seinen Roman Memoiren eines Modernisten veröffentlichen wollte, blieb genauso unverwirklicht wie die Gründung eines eigenen Theaters im Jahre 1912. Helmer hatte zwischen 1911 und 1931 Kontakt zu den Anarchisten um Pierre Ramus (d.i. Rudolf Großmann; 1882-1942) und dessen Zeitschriften Wohlstand für Alle (Wien, 1907-1914) und Erkenntnis und Befreiung (Wien, 1919-1933), in denen auch einige Beiträge Helmers erschienen. Die Tiroler Anhänger Ramus' organisierten sich 1908-1914 im Verein Freie Weltanschauung (Innsbruck), in dem vor allem der aus Wien gebürtige, dann in die Steiermark übersiedelte, damals jedoch in Innsbruck lebende Eisenbahner und Anarchist Nikolaus Nicolits und der Anarchist Adalbert Maletz aktiv waren.(4) Aber das Verhältnis zu Nicolits war nicht ungetrübt: Helmer und seine Frau waren "Mitglieder einer Gesellschaft von hochgebildeten Nacktsportlern", was Nicolits zur Äußerung veranlasst haben soll, "eine solche Vereinigung sei eine Schweinerei". Frau Helmer entgegnet auf diese Äußerung mit dem Dichterwort: "Dem Reinen ist alles rein nur dem Schwein ist alles Schweinerei."(5) Auch mit dem Dramatiker Rudolf Christoph Jenny, der Ramus' wichtigster Kontaktmann in Tirol war, war Helmer zerstritten.(6) 1919 gründete Helmer nach dem Muster der Exl-Bühne Franz Alfons Helmers Tiroler Volksbühne, die vor allem seine Stücke aufführte. Die Bühne ging nach einigen Jahren wegen der starken Inflation ein. Mit seinen literarischen Arbeiten gelang es ihm danach nicht mehr, an die Öffentlichkeit zu treten. Im Theater im Löwenhaus wurde aber 1919 das Stück Die drei Heiligen gespielt, "eines der besten Lustspiele, das die Tiroler Volksliteratur Tirols aufzuweisen hat."(7) Seine Frau übergab nach seinem Tode drei seiner hinterlassenen Werke dem Ferdinandeum: das Schauspiel Der Kampf mit dem Triner, die Tragödie Die Hauptschuldigen sind wir und den Roman Maria und ihre Freunde.(8)
1 Die biographischen Daten sind folgenden Quellen entnommen: Lebenslauf, verfasst von seiner Frau Anna Helmer (dem Stück Der Kampf mit dem Triner beigelegt, Ferdinandeum, FB 23062); Prospekt zum Roman eines Strolches, Meldeunterlagen des Magistrats der Stadt Innsbruck.
2 Vgl. den Brief an Pierre Ramus, 27.5.1911. 9 Briefe von Helmer an Ramus liegen im Internationalen Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam.
3 Brief an Pierre Ramus, 27.5.1911.
4 Die Informationen zu Helmers Beziehungen zum Anarchismus verdanke ich einem Mail von Reinhard Müller vom 4.5.2001.
5 Brief an Pierre Ramus, 27.5.1911.
6 Vgl. die Briefe an Ludwig von Ficker und Ramus.
7 In: Neuer Ruf, Nr. 32, zit. nach einem Prospekt, der sich bei den Briefen an Ramus erhalten hat.
8 Signaturen: FB 23062-64.
- Der Roman eines Strolches. Aus den hinterlassenen Papieren eines Arztes. Eine physiologische und psychologische Studie. Köstritz, Leipzig: C. Seifert 1909, 369 S. (Info)
- Vinzenz und die Andern. Komödie in fünf Aufzügen. Köstritz-Leipzig: Seifert 1909, 95 S.
- Maria und ihre Freunde [Roman]. o.O. o.J., 253 S.
- Der Kampf mit Triner. Schauspiel für das Volk in fünf Aufzügen. o.J., 49 S.
- Die Hauptschuldigen sind wir. Eine Tragödie aus dem Volk in vier Aufzügen. o.J., 51 S.
- Antonies Erlebnisse [Roman). Berlin: W. Kästner [1912], 190 S.
- Der Pfarrer von Gomorrha. Der Roman eines freidenkenden katholischen Priesters. Dresden: Verlag der Schönheit [1924] (Bücherei der Schönheit 7)
- Die drei Heiligen. Wien: Metropoltheater 15.-23.05.1924
- Das Höchste in der Kunst. In: Wohlstand für alle. Jg./Nr. 12, 26.06.1912
- Nacktheit und Persönlichkeit. In: Der Mensch. Jg./Nr. 1, 1914, S. 22-24
- Dienstbotenelend; Nacktkörperkultur. In: Begegnungen. Tiroler Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Texte und Kommentare. Hg. Josef Feichtinger, Gerhard Riedmann, Arbeitskreis Südtiroler Mittelschullehrer. Bozen: Athesia 1994, S. 70-73; 350-353
Sekundärliteratur (Auswahl)
- Der Roman eines Strolches. [Rezension]. In: Das Magazin. Monatsschrift für Literatur, Kunst und Kultur. M. Kurzbiographie. 1908, S. 346
- [Antonies Erlebnisse]. In: Wohlstand für alle,. Jg./Nr. 12, 26.06.1912
- Zur Gründung der Helmer'schen Tiroler Volksbühne. In: Volks-Zeitung. Jg./Nr. 182, 10.08.1919, S. 9f. (Zur Gründung der Helmer'schen Tiroler Volksbühne)
- [Der Pfarrer von Gomorrha]. In: Erkenntnis und Befreiung. Jg./Nr. 34, 24.08.1924, S. 3
- In: Die Kultur, Wien. Jg./Nr. 11, 06.1925, S. 1
- In: Bio-bibliographisches Literaturlexikon Österreichs. Hg. Hans Giebisch, Gustav Gugitz. Wien: Hollinek 1964, S. 148
- In: Wimmer, Paul: Wegweiser durch die Literatur Tirols seit 1945. Darmstadt: Bläschke 1978 (Brennpunkte 15, Hg. Hermann Kuprian), S. 138
- In: Ficker, Ludwig von: Briefwechsel. Bd. 1: 1909-1914. Hg. Ignaz Zangerle, Walter Methlagl, Franz Seyr, Anton Unterkircher. Salzburg: Otto Müller 1986 (Brenner-Studien 6)
- Reden, Sixtus von; Schweikhardt, Josef: "Eros unterm Doppeladler". Wien 1993, S. 144
- Unterkircher, Anton: Anarchist und Weltverbesserer. Franz Alfons Helmer. In: Schattenkämpfe. Literatur in Osttirol. Hg. Johann Holzner, Sandra Unterweger. Innsbruck, Wien, Bozen: Studienverlag 2006, S. 47-59
- In: Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert. Begr. von Wilhelm Kosch. 2011 (Band XVI), S. 370f
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