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Brennerpass
Der auf 1370 m Seehöhe gelegene Brennerpass ist der niedrigste Übergang über den Alpenhauptkamm der Zentralalpen.
Im 13. Jahrhundert war die Passlandschaft von Gries bis Gossensaß mit einem ausgedehnten Wald bedeckt, sodass die Gegend am Passscheitel „Mittenwald“ genannt wurde. 1288 erscheint der Name „Prennerius in Mittenwalde“, der sich von einem der Höfe entlang der Passstraße ableitete bzw. aus dem Beinamen des Hofinhabers herausgewachsen ist. Der Hof des Heinrich Prenner erlangte große Bedeutung für den Verkehr über die Passstraße, also verdrängte dieser Hofname den alten Gegendnamen Mittenwald. Seit 1338 wird der Name „Brenner“ für die geografische Lage des Passes verwendet.
Fast alle berühmten Tirolreisenden – unter ihnen Goethe, Heine, Andersen, Montaigne u. v. m. – benutzten den Brennerpass, um nach Italien zu gelangen. Seit jeher führen Verkehrs-, Handels- und Pilgerwege über diese Nord-Süd-Verbindung nach Italien. Innsbruck wurde durch seine 30 Kilometer nördlich des Brennerpasses gelegene Lage Ausgangs- bzw. Endpunkt vieler Alpenüberquerungen.
Die Brennerstraße gehört zu Recht – um es mit den Worten Hans Weigels auszudrücken – zu den „Klassiker[n] unter den Straßen Europas“. Vom unteren Inntal ins Wipptal wurde bereits in vorrömischer Zeit die alte Verkehrsverbindung über Ampass, Aldrans, Lans und Patsch durch die Ellbögen nach Matrei am Brenner benutzt. Von Steinach über Vinaders führte ein Saumpfad zum Brenner. Vinaders und Nösslach, die beide zur Gemeinde Gries am Brenner gehören, sind die ältesten Siedlungen an der Brennerroute.
Um 15 v.Chr. besetzten die Römer den Brennerweg, damals noch ein einfacher Saumweg. Die Straße von Veldidena (Wilten) über Matreium (Matrei) nach Vipitenum (Sterzing), die Brennerstraße im eigentlichen Sinn, wurde von den Römern erst gegen Ende des 2. Jahrhunderts aus militärischen Gründen ausgebaut, bis dahin war die Via Claudia Augusta über den Reschenpass von größerer Bedeutung.
Im Mittelalter war der Weg über den Brenner die meistbegangene Alpenstraße der deutschen Könige und Kaiser. Zudem wurde die Brennerstraße Teil der so wichtigen Strada d’Alemagna, die von Venedig nach Augsburg führte und einen der wichtigsten Handelswege im europäischen Raum darstellte. Der Großteil des Warenverkehrs bewegte sich über die „untere Straße“, wie die Brennerstrecke auch noch genannt wurde – im Gegensatz zur Reschenroute oder „oberen Straße“. Bei Franzensfeste gabelte sich die Straße in zwei Linien; die östliche führte durch das Pustertal und über Belluno nach Venedig, die westliche Linie verlief über die Rittenhöhe oder den 1314 errichteten und um 1480 ausgebauten Kuntersweg nach Bozen und dann weiter nach Trient. Innsbruck nutzte die Lage an der Brennerroute, indem es sich im Mittelalter durch eine Stadtrechtsbestimmung das alleinige Recht auf Warenniederlage sicherte. Jeder durch das Innsbrucker Becken ziehende Händler war somit verpflichtet, seine Waren in Innsbruck „niederzulegen“ und zu verzollen.
Seit dem Spätmittelalter war man stets um Ausbau, Erhaltung und Sicherung des Weges bemüht. Straßenzölle, die an vielen Zollstätten eingehoben wurden, sicherten die Finanzierung. Im 18. und 19. Jahrhundert konnte der Brenner mühelos auf einer gut ausgebauten Straße passiert werden. Der deutsche Dichter Friedrich von Matthisson spricht von „einer der trefflichſten und unterhaltenſten Kunſtſtraßen“, auf der er den Brenner überstieg, „bekanntlich den ſicherſten und bequemſten aller Bergpäſſe, die uns Nordländer nach Italien führen“.
Die Brennerstraße zwischen Wilten und Schönberg wurde in den Jahren 1833–45 erbaut; die Trassenführung, wie wir sie heute kennen, wurde erst in dieser Zeit angelegt. Die damals aus Steinquadern errichtete Stephansbrücke zählte zu dieser Zeit zu den größten Einbogenbrücken Europas. 1867 wurde die Eisenbahntrasse über den Brenner freigegeben. Ende der 60er Jahre begann man mit dem Bau der Brenner Autobahn zwischen Innsbruck und der italienischen Staatsgrenze.
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Verfasser/in: Christiane Oberthanner
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