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Pradl
Pradl erstreckt sich östlich des Sillflusses. Das ehemalige Dorf ist heute der größte Stadtteil von Innsbruck.
Schon unter den Römern (15. v. Chr.) wurde das Land kultiviert. Der Ortsname – 1173 erstmals als „Predele“ erwähnt – leitet sich vermutlich von den lateinischen Wörtern „pratellum“ (kleine Wiese) oder „praedium“ (landwirtschaftliches Gut) ab. Das spätere Bauerndorf ging aus einem Gutshof der Herren von Andechs hervor. Die Grundherren ließen die um Pradl und Amras liegenden Auwälder roden, die sumpfigen Auwiesen urbar machen und übergaben die so gewonnenen Ackerflächen zur Bewirtschaftung den Bauern von Amras und Pradl. Bis 1904 gehörte Pradl gemeinsam mit der Reichenau und den Sillhöfen (Lehensgüter des Stiftes Wilten) zum Dorf Amras.
Seit dem 15. Jahrhundert verband eine Sillbrücke die Kohlstatt (Dreiheiligen) mit Pradl. Um diese herum gruppierten sich 20 Höfe. 1572 ließ Ferdinand II. eine Verbindungsstraße zwischen dem Zeughaus und dem Schloss Ambras anlegen, die heutige Pradler- und Amraser Straße. Über Jahrhunderte hinweg war Pradl ein kleiner Weiler von Amras, bestehend aus einigen Gehöften. 1826 gab es hier 29 Bauernhöfe. Erst allmählich verdrängten gewerbliche Betriebe die Landwirtschaft. Um die Jahrhundertwende setzte in Pradl – wie auch in anderen Stadtteilen Innsbrucks – eine rege Bautätigkeit ein. Innerhalb weniger Jahre entstanden ganze Straßenzüge mit Zinshäusern. Große Industriebetriebe (seit 1838/39 die Baumwollspinnerei Herrburger und Rhomberg, seit 1859 das Gaswerk, seit 1885 die Seifenfabrik Epp) entstanden und aus dem ehemaligen Bauerndorf wurde ein Arbeiterviertel. Durch die Nähe des 1858 eröffneten Innsbrucker Bahnhofs fanden auch viele Eisenbahner in Pradl eine neue Heimstatt. 1904 wurde Pradl von Amras getrennt und – gemeinsam mit dem Dorf Wilten – Innsbruck einverleibt. Aus diesem Anlass ließ Hans Freiherr von Sieberer den Vereinigungsbrunnen am Bahnhofsplatz errichten. Er wurde im Zweiten Weltkrieg entfernt. Seit 1911 fuhr die Straßenbahn durch Pradl. Im selben Jahr wurde ein Spital für die k. k. Garnison gebaut (ab1936 Conradkaserne). Während der nationalsozialistischen Herrschaft erfuhr Pradl städtebaulich starke Veränderungen. Zwischen 1939 und 1943 wurden die sogenannten Südtiroler Siedlungen errichtet: Wohnstätten für jene Südtiroler, die für das Deutsche Reich optiert hatten. Mindestens 8000 Umsiedler zogen nach Innsbruck. Große Wohnanlagen wie etwa der Eichhof, der Ahornhof, der Lindenhof prägen bis heute das Stadtbild von Pradl. Charakteristisch für diese Bauten sind die großen Innenhöfe, Historismus und Heimatstil. Einer der wichtigsten Bauträger war die Wohnbaugesellschaft „Neue Heimat“. Für den Bau der großen Wohnanlagen – die sich auch in anderen Stadtteilen finden – wurden Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter eingesetzt. Bei Luftangriffen in den Jahren 1943–1945 wurde Pradl besonders hart getroffen, 75 % der Bauten dieses Stadtteils wurden zerstört oder beschädigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte in Pradl erneut ein Bauboom. Inzwischen sind die Stadtteile Pradl und Amras zusammengewachsen. Auch wenn schon 1956 nur mehr vier Bauernhöfe in Pradl existierten, so hat sich der historische Dorfkern Pradls, das Brunnenplatzl und Teile der Egerdachstraße, weitgehend erhalten. Anstelle der alten Pradler Kirche mit Friedhof befindet sich heute die Sporthalle der Leitgeb-Schule. Die alte Pfarrkirche wurde 1941 abgetragen. Die neue Pradler Pfarrkirche wurde etwas südlich der alten 1905–1908 im neuromanischen Stil erbaut. Das den Charakter des Stadtteils einmal mitbestimmende Gaswerk wurde 1974 abgerissen. Auf dem frei gewordenen Areal entstand der Stadtpark Rapoldi (dessen Anfänge schon in das Jahr 1908 zurückgehen).
An den Schankgarten des Lodronischen Guts- und Gasthofes anschließend befand sich von 1869 bis 1917 das Pradler Bauerntheater. In dem umgebauten Heustadel wurden vor allem Ritterspiele aufgeführt. Das Theater in der Egerdachstraße wurde 1920 abgerissen.
Quellenangabe: Kubanda, Roland (Red.): Stadt-Vielfalten. Stadtteil Pradl. Fotodokumente der Sammlung Walter Kreutz. Herausgegeben vom Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck. Innsbruck 2008.
Pfaundler-Spat, Gertrud: Tirol-Lexikon. Ein Nachschlagewerk über Menschen und Orte des Bundeslandes Tirol. Vollständig überarbeitete und ergänzte Neuauflage. Innsbruck: StudienVerlag 2005.
Rath, Gabriele; Sommerauer, Andrea; Verdorfer, Martha (Hrsg.): Bozen – Innsbruck. Zeitgeschichtliche Stadtrundgänge. Wien [u.a.]: Folio 2000.
Steinegger, Fritz (Red.): Alt- und Neupradl. Ein Heimatbuch. Innsbruck: Pfarrkirchenrat 1958.
Verfasser/in: Iris Kathan
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