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Ischgl
Die im Paznauntal gelegene Gemeinde Ischgl umfasst die Dörfer Ischgl und Mathon sowie einige Weiler. Das ehemalige Bergbauerndorf wurde vermutlich im 9. Jahrhundert von Rätoromanen aus dem Engadin besiedelt. 1163 schenkten die Herren von Tarasp aus dem Unterengadin die Alpe Fimba sowie fünf Höfe in Ischgl dem Benediktinerkloster Marienberg in Burgeis (Vinschgau). Kirchlich gehörte Ischgl bis 1565 zur Pfarre Sins (heute Sent) im Engadin. Im 14. Jahrhundert ließen sich Walser in Galtür und Ischgl nieder. Die Bevölkerung wuchs stark an. Seit dem 15. Jahrhundert führten die Ischgler einen regen Handelsverkehr über das Fimbajoch und den Zeinispass, Ischgl selbst wurde zu einem wichtigen Warenumschlagplatz. Voraussetzung dafür war das von Erzherzog Sigismund 1460 gewährte Privileg der Bewohner von Ischgl und Galtür Vieh zollfrei nach Sonnenburg, Bludenz, Feldkirch, Bregenz, Scharnitz, Graubünden und Pretigau ausführen sowie Getreide zollfrei einführen zu dürfen. 1505 gestattete Kaiser Maximilian zudem den Bezug eines Wegegeldes durch das Fimbatal. Durch die wirtschaftlichen Verbindungen mit dem Engadin, Vorarlberg, Schwaben, Bayern und Oberitalien kam die Gegend zu einigem Wohlstand, viele Ischgler Händler, die sich im gesamten deutschen Sprachraum bewegten, ließen sich woanders nieder. Im 17. und 18. Jahrhundert ging der Handel langsam zurück, Gründe dafür waren unter anderem die politische Loslösung des Engadins von Tirol sowie die Ausdehnung des Jamtaler Ferners. Im 19. Jahrhundert versiegte der ehemals so florierende Warenfluss vollends, es kam zu einer starken Abwanderung. Da die Menschen im Tal von der Landwirtschaft kaum leben konnten, verdienten viele ihren Unterhalt als Tagelöhner und Handwerker im Ausland. Auch Kinder (so genannte Schwabenkinder) wurden als saisonale Arbeitskräfte im Frühjahr vor allem nach Oberschwaben geschickt, wo sie sich als Hütekinder verdingen mussten. Erst Ende des 19. Jahrhunderts begann sich die wirtschaftliche Lage des Tales langsam zu verändern. Die Gegend wurde touristisch erschlossen. Erste Schutzhütten wurden schon in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts gebaut. Mit Eröffnung der Silvrettaseilbahn 1964 vollzog das ehemalige Bergdorf endgültig den Strukturwandel zum Fremdenverkehrsort. Heute ist Ischgl ein Ort des Massentourismus.
Die jetzige Kirche wurde 1755-57 im Rokokostil erbaut. Lediglich der gotische Kirchturm ist noch von einem älteren Kirchenbau erhalten. Die Pfarrkirche ist im Besitz einer besonderen Kostbarkeit, einem silbernen Reliquienbehälter, der die Speiche des rechten Oberarms des hl. Stephanus fasst. Als die französische Revolutionsarmee 1794 ins Rheinland kam, wurde die kostbare Reliquie, um sie vor den Revolutionären zu schützen, dem Händler Anton Moritz in Prüm bei Trier übergeben, unter der Bedingung, er möge sie einer „unterrheinischen Kirche“ überlassen. Dieser schenkte die Reliquie 1803 der Kirche in seiner Heimatgemeinde Ischgl. Vermutlich stammt die Reliquie aus dem Aachener Heiltumschatz Karls des Großen. Nur einmal im Jahr, zum Stephanitag, wird sie der Bevölkerung gezeigt. Sehenswert ist auch der Friedhof mit seinen vielen prachtvollen schmiedeeisernen Grabkreuzen.
Quellenangabe: Pfaundler-Spat, Gertrud: Tirol-Lexikon. Ein Nachschlagewerk über Menschen und Orte des Bundeslandes Tirol. Vollständig überarbeitete und ergänzte Neuauflage. Innsbruck: StudienVerlag 2005.
Schober, Richard: Chronik von Ischgl. Hrsg. v. Tiroler Landesarchiv. Innsbruck 1975. (Ortschroniken, 15).
Walser, Josef: Ischgl, Tirol. Salzburg: St. Peter 1985 (Christliche Kunststätten Österreichs, 141).
www.fontes-historiae.com,%25252520www.geschichte-tirol.com/orte/nordtirol/bezirk-landeck/1156-ischgl.html
Verfasser/in: Iris Kathan
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