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Schwaz
Die alte Bergwerksstadt Schwaz am Fuße des Kellerjochs (538 m, 12.212 Einwohner), die auch gleichzeitig Bezirkshauptstadt ist, liegt an der Landstraße rechts des Inn von Innsbruck kommend in Richtung Kufstein.
Als „Suates“ um 930 erstmals urkundlich erwähnt, war Schwaz bereits in vorchristlicher Zeit Ort des Kupferabbaus. Die Stadt kann also als eine der ältesten Industrieansiedlungen Europas angesehen werden.
Als 1410 die erste Silberader freigelegt wurde, nahm die Marktgemeinde einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung. Seine Blütezeit erlebte Schwaz um 1470. Das Geschäft mit dem Silber lockte große Handelsfirmen an. So stiegen die Fugger aus Augsburg als Gewerken (= Bergwerksbetreiber) in den Bergbau ein. Gut 100 Jahre brachte das Silber den Einwohnern und Handeltreibenden hohe Einnahmen. Erst als die Quelle versiegte und man die Schürfstätten in die Neue Welt verlegte, verlor Schwaz die führende Rolle, die es im 15. und 16. Jahrhundert unter Tirols Städten eingenommen hatte.
Im beginnenden 19. Jahrhundert konnte sich die Stadt trotz des Niedergangs des Bergbaus – er wurde noch bis 1957 betrieben, ging dann in den Besitz der Brixlegger Montanwerke über – dennoch einen gewissen Wohlstand durch die Ansiedelung verschiedenster Industriezweige erhalten: Eine Bergfarbenfabrik, eine Salpetersiederei, eine Baumwollmanufaktur und eine Werft. Der Lahnbach, der die Stadt seit jeher in zwei Teile zerschnitten hatte, war Standort von Schmieden und Mühlen sowie Strumpfwirkereien. Martin Hussl erzeugte in der 1814 gegründeten Fabrik Gebrauchsgeschirr. 1882 stellte man die Produktion auf kunstvolle Majolika um.
In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts kam die Swarovski-Tochter Tyrolit (Schleifmittelerzeugung) dazu, die heute rund 4.000 Mitarbeiter beschäftigt.
Schwaz hatte neben dem Niedergang des Bergbaus auch verschiedenste andere Katastrophen, die die Stadt immer wieder heimsuchten, zu überstehen. Im Jahre 1611 breitete sich das Fleckfieber, auch Herzbräune genannt, rasant aus und dezimierte die Einwohnerzahl von 8000 auf 5600. Am 15. Mai 1809 legten die Bayerischen Truppen die Stadt in Schutt und Asche, wovon sie sich allerdings nur langsam wieder erholte. Nur einige wenige Häuer überstanden die Katastrophe unbeschadet. Rund 400 Häuser (vorwiegend um den Markt) waren zerstört. Die Dichterin Bettina von Brentano schrieb am 18. Mai 1809 aus München an Goethe:
„Vorgestern glühte der Himmel über jenen Alpen nicht vom Feuer der untergehenden Sonne, sondern vom Mordbrande. Da kamen sie um, die Mütter und Kinder, die wehrlosen in den Flammen. Hier lag alles in schweigenden Frieden, der Tau tränkte die Kräuter und dort verkohlte die Flamme den mit Heldenmut getränkten Boden. Ich stand die halbe Nacht auf dem Turm im Englischen Garten und betrachtete den roten Schein. Das Schloß der blinden Tannenger haben sie verräterisch verbrannt, Heiligtümer zerstört, Greise und Kinder getötet und die Bayern haben sich dessen jubelnd gerühmt!“- (Egg, Peter; Gstrein, Peter; Sternad, Hans: Stadtbuch Schwaz. Schwaz 1986)
1899 erhielt Schwaz das Stadtrecht durch Kaiser Franz Joseph. Die Schwazer Bevölkerung hatte die im 16. Jahrhundert von Maximilian I. angebotene Stadterhebung zunächst abgelehnt, da der Bergbau der Entwicklung eines echten Siedlungskerns eher entgegenwirkt hatte.
Der Zweite Weltkrieg forderte auch in Schwaz seinen Tribut: Bei Bombenangriffen im Jahr 1944 wurden viele Häuser der Innenstadt zerstört. Zahllose Menschen verloren kurz vor Kriegsende ihr Leben. Ab Frühjahr 1944 begann das Rüstungsunternehmen Messerschmitt-Kematen einen Teil seiner Luftwaffen-Produktion in das Erzbergwerk Schwaz zu verlegen. 300 bis 400 Zwangsarbeiter kamen bei dem hierzu nötigen Umbau einer der größten Zechenräume des Bergwerks zum Einsatz. Tief im Berginneren entstand eine vier geschossige Produktionshalle mit einer Gesamtfläche von 8.500m². Die Zwangsarbeiter – sie wurden in einem Lager an der Landstraße Richtung Buch sowie einem Lager nahe des Schwazer Bahnhofes gefangen gehalten – wurden gezwungen barfuß und ohne Schutzkleidung bis zu 16 Stunden unter Tag zu arbeiten. Schwere Misshandlungen waren an der Tagesordnung, Arbeiter verloren bei Arbeitsunfällen ihre Leben oder starben an Erschöpfung. Im Steinbruch bei Buch wurden Exekutionen durchgeführt. Die Zahl der Todesopfer liegt im Dunkeln, ebenso, wo die Toten verscharrt wurden. 1947 wurde die Messerschmitt-Halle von französischen Besatzern gesprengt. Das ehemalige Lager auf der Landstraße nach Buch wurde in ein Internierungslager für belastete Nationalsozialisten umfunktioniert. Die französischen Besatzer nannten dieses Lager „Oradour“, in Erinnerung an das Kriegsverbrechen in Oradour sur Glane am 10. Juni 1944, bei dem eine ganze Kleinstadt ausgelöscht wurde. Es wurde im Oktober 1946 aufgelassen und diente in der Folge Flüchtlingen und Obdachlosen als Unterkunft. Man nannte die Baracken nun nach dem nahe gelegenen Steinbruch „Märzensiedlung“. Die Barackensiedlung bestand bis Ende der 80er Jahre. Heute erinnert nichts mehr an die Geschichte des Ortes.
Heute bemüht Schwaz sich um den Brückenschlag zwischen Industriestandort und Kulturzentrum (Museum „Haus der Völker“, Stadtgalerie, Museum „Rabalderhaus“, Museum der Stadt Schwaz Schloss Freundsberg).
Um die Stadt Schwaz ranken sich viele Sagen. Eine sei hier erzählt:
„[…] Da klang auf einmal gar geheimnisvolle Kunde im Orte selbst und im ganzen Tal, dass Schätze, reich und unermesslich, des Berges Eingeweide trügen.
Und dies hat sich so begeben.
Droben auf den Höhen des Kogelmooses, eines lieblichen Alpenflecks an der Flanke des waldigen Falkensteins, hatte sich ein seltsam Abenteuer zugetragen.
Da hütete an einem schönen Maientag ein anmutig Mägdelein, die Margret Kandlerin, das Vieh ihres Dienstherrn. Die Herde machte der Dirn nicht viel zu schaffen, die Kühe lagen geruhsam im Gras und hielten ihre zweite Mahlzeit. Aber da war ein junges Stierlein, spürte es des linden Lenzens Lust oder war ihm eine fürwitzige Hummel über die Nase gefahren, es schnob weidlich und tollte gar ungebärdig auf der grünen Matte umher. Das Mägdelein ward so recht ungut aus seinen lichten Träumen gerissen.
Es nahm grimmgemut den Hirtenstecken und jagte hinter dem hopsenden Stier her. Der zornvoll geschwungene Stecken focht ihn weiter nicht an, voll Übermut wühlte er mit seinen blanken Hörnern den weichen Boden auf, dass weit die Rasenstücke flogen,
Doch da!
[…] Im Loch, das die Hörner gerissen, glitzerten und gleißten gar wundersame Steine. […] die Gier kam über sie, mit flatternden Händen warf die Magd die Steine in ihren Schurz und lief den Hang hinunter zum Hof ihres Dienstherrn, dass die Zöpfe flogen.
Der Bauer ließ seine Arbeit stehen, als die Dirn ihre Schürze vor ihm öffnete. Er raffte hastig einen der schönsten Steine auf und lief damit zum alten Knecht, der in seiner Jugend tief drunten im Trientinischen im Bergbau gearbeitet hatte. Der Alte verstand sich gleich auf den kostbaren Fund: es war gutes Silbererz. […]
Auf diese absonderliche Art ist der Bergsegen von Schwaz entdeckt worden.“ (Knapp, Ludwig: Sagen aus Schwaz. Schwaz 2004)
Quellenangabe: Egg, Peter; Gstrein, Peter; Sternad, Hans: Stadtbuch Schwaz. Natur- Bergbau-Geschichte. Schwaz 1986.
Gisinger, Arno (Ill.): Oradour sur glane. Anläßlich der Ausstellung "Messerschmitthalle - Oradour" im Rahmen der Klangspuren, Tage Neuer Musik vom 14. bis 22. September 1995. Schwaz : Klangspuren Schwaz 1995.
Pfaundler-Spat, Gertud: Tirol-Lexikon. Ein Nachschlagewerk über Menschen und Orte des Bundeslandes Tirol. Vollständig überarbeitete und ergänzte Neuauflage. Innsbruck: Studienverlag 2005.
Hye, Franz-Heinz: Die Silberstadt Schwaz. In: Vogel, Dieter: Der Inn. Landschaften und Städte. Vilsbiburg: Kiebitz Buch 2001.
Knapp, Ludwig: Sagen aus Schwaz. Ausgewählt und erzählt von Ludwig Knapp. Schwaz: Malerwies Eigenverlag 2004.
Vierlinger, Rudolf: Dem Inn entlang. Der große Fluss der Alpen vom Ursprung bis zur Mündung in Wort und Bild. Simbach am Inn: Vierlinger 1987.
Verfasser/in: Jennifer Moritz
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