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Brenner (Ort)
Das Brenner-Dorf liegt am Brennersattel (1370), einem ca. 7 km langen Hochtal. Zur Gemeinde gehören neben dem Ort Brenner auch die Orte Pflersch und Gossensaß. Sie ist eine Gemeinde der Autonomen Provinz Bozen. Am Brennersattel bildet sich auch die Wasserscheide zwischen Sill und Eisack, die über Inn und Donau / Etsch und Po in das Schwarze und in das Adriatische Meer fließen.
Die Talfurche wurde ab dem 13. Jahrhundert dauerhaft besiedelt. Die Ortsbezeichnung „Brenner“ (Prenner) wurde erst im 14. Jahrhundert geläufig, davor nannte man die Passlandschaft, die mit ausgedehnten Wäldern bedeckt war, „Mittenwald“. Vermutlich befand sich schon im 6. Jahrhundert eine St.-Valentins-Kapelle auf Passhöhe, an deren Stelle im 15. Jahrhundert eine größere St.-Valentins-Kirche errichtet wurde. Ihr Turm, der romanische Stilelemente aufweist, gilt als das älteste erhalten gebliebene Bauwerk an der Brennerstrecke.
Das nahe Brennerbad wurde 1338 erstmals urkundlich erwähnt. Die Thermalquelle wurde, sie war in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verschüttet worden und in Vergessenheit geraten, auf Veranlassung von Zacharias Geizkofler 1605 neu gefasst. Eine Stiftung ermöglichte es Bedürftigen das Bad unentgeltlich zu benützen. 1680 wurde zu dem Thermalbad, das regen Zulauf hatte, eine Kapelle gebaut.
Der Brenner wuchs als klassisches Straßendorf und bestand bis ins 19. Jahrhundert lediglich aus ein paar Höfen und Weilern, einer Kirche und einem Gasthof, der im 16. Jahrhundert zur Poststation ausgeweitet wurde. Die sich hier niederließen konnten gut leben von dem über den Brenner fließenden Waren- und Personenverkehr. Das änderte sich mit Bau der Brennerbahn, die 1867 eröffnet wurde. Waren-, Post- und Personenverkehr wurden nun auf die Schiene verlegt, die Brennerstraße verlor ihre Funktion, verödete. Menschen verloren ihr Einnahmequelle und zogen ab. Der Tourismus sollte die Lage ändern. Das nahe Brennerbad bekam eine eigene Bahnstation, Komfort und Gästezahlen stiegen, es wurde gebaut, 1902 sogar ein luxuriöses Grand Hotel eröffnet. Angepriesen als „Gastein Tirols“ sollte sich der Brenner zu einem Höhenluftkurort entwickeln. Doch konnte er sich als Ort des Tourismus nie recht etablieren. Zu kalt und zugig war die Brennerfurche, zu kurz die Saison. Und die Passlandschaft galt als reizlos und unspektakulär im Vergleich zu anderen Alpenpässen. Es fehlte an Ausblicken und wilder Hochgebirgslandschaft. Gerade der Umstand, dass der Brenner als niedrigster Alpenpass weitum so leicht zu passieren war, hatte ihn zur Transitstrecke gemacht. Und erst mit zunehmenden Autoverkehr erwachte der Ort von Neuem zu Leben.
Nach dem Ersten Weltkrieg fiel der Brenner mit dem Friedensvertrag von St. Germain an Italien. Schon im 19. Jahrhundert waren vor dem Hintergrund des Irredentismus in Italien Stimmen laut geworden, die eine Grenzziehung entlang des Alpenhauptkamms bzw. der Wasserscheide von Mittelmeer und Schwarzem Meer forderten. Der Brenner mutierte mit der Annexion Südtirols im Oktober 1920 zum Grenzort, wurde militärische Zone. Verschiedene Militär- und Zivilbehörden errichteten am Brenner Kasernen, Gebäude mit Ämtern und Dienstwohnungen. Seit den 30er Jahren wurde im Brenner-Gebiet unter strenger Geheimhaltung an einer Befestigungslinie, der so genannten „Linea Badoglio“ gebaut, bis heute zeichnet die Landschaft diese Kriegstopographie. 1969 war der Bau der Autobahn auf Nordtiroler Seite abgeschlossen, 1974 auch der Abschnitt Brenner-Modena fertig. Der gesamte Komplex des Brenner-Bads sowie andere Gebäude fielen der Brenner-Autobahn zum Opfer. Mit dem Schengener Abkommen, das am 1. April 1998 in Kraft trat, wurde die österreichische-italienische Grenze geöffnet. Mit dem Schengen-Abkommen hat der Brenner, dessen Infrastruktur weitgehend funktions- und bedeutungslos geworden ist, an Identität verloren. Dem entstandenen Sinn-Vakuum wird in verschiedener Hinsicht begegnet. Ein neues Outlet-Center soll den Brenner, traditioneller Warenumschlagplatz, beleben. Aber auch verschiedene Kunstprojekte nützen den historisch entstandenen Leer-Raum zur Auseinandersetzung und Reflexion.
Quellenangabe: Cattelan, Maurizio; Forum AR-GE Kunst (Hrsg.): Treffpunkt Niemandsland. Bozen o.J.
Kathan, Iris: Der Brenner. Zum Wandel der Wahrnehmung eines Alpenübergangs. In: Sieglinde Klettenhammer (Hrsg.): Kulturraum Tirol. Literatur – Sprache – Medien. Jubiläumsband "150 Jahre Germanistik in Innsbruck". Innsbruck: IUP 2009 (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft / Germanistische Reihe, 75). 69–81.
Trenkwalder, Alois: Brennero. Storia di un paesino e di un valico internazionale. Brenner. Bergdorf und Alpenpaß. Brennero: Comune di Brennero 1999.
Verfasser/in: Iris Kathan
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