641205 Literatur und Intermedialität II: Heterotopie, Heterochronie (Foucault) und Chronotopos (Bachtin) in den Filmen von Terry Gilliam.

Sommersemester 2010 | Stand: 14.09.2023 LV auf Merkliste setzen
641205
Literatur und Intermedialität II: Heterotopie, Heterochronie (Foucault) und Chronotopos (Bachtin) in den Filmen von Terry Gilliam.
UE 2
5
Block
jährlich
Deutsch
Als Michel Foucault 1967 in seinem Vortrag „Des espaces autres“ den Terminus „Heterotopie“ in den philosophisch-kulturwissenschaftlichen Diskurs einführte, skizzierte er damit eine besondere Zwischenform des Raumes, die tatsächliche, kulturelle Lokalitäten und utopische Gedankenwelten miteinander verknüpft. Dem russischen Literaturwissenschaftler Michail Bachtin ging es hingegen, als er in seiner Studie „Voprosy literatury i ėstetiki issledovanija raznich let“ (veröffentl. 1975) den Begriff „Chronotopos“ prägte, darum, eine besondere Verbindung zwischen Raum und Zeit in der Literatur nachzuweisen. Ein erstes Ziel dieser LV besteht nun darin, die theoretischen Raum-Zeit-Konzepte Bachtins und Foucaults auszuarbeiten, zu vertiefen und sie um filmtechnische Termini – etwa von Eric Rohmer – zu erweitern. In einem zweiten Schritt zielt die LV schließlich darauf ab, diese meist im literaturwissenschaftlichen Kontext gebrauchten Begriffe auf das Medium Film anzuwenden. Als besonders geeignete Analysebeispiele bieten sich hierfür die Filme des Regisseurs Terry Gilliam an, der bereits als Mitglied der berühmten Komiker-Truppe „Monty Python“ an der Erschaffung außergewöhnlicher Raum-Zeit-Welten mitwirkte.
Terry Gilliam hat bisher bei 16 Filmen (13 Spielfilmen und 3 Kurzfilmen) Regie geführt, für die er auch größten Teils das Drehbuch verfasste. Ein auffälliges Gestaltungsmerkmal, das all seinen Filmen inhärent ist, besteht in der besonderen Gestaltung und Verknüpfung von Raum und Zeit. Ein Konnex zwischen alltäglichen, historischen, phantastischen und utopischen Elementen, lässt in Gilliams Filmen ein Raum-Zeit-Konzept entstehen, das einerseits eine Wirklichkeitsillusion unterläuft und an Brechts Verfremdungseffekt erinnert und andererseits eine eigene – meist surreal überzeichnete – filmische Traum- und Märchenlandschaft kreiert. Im Rahmen der Lehrveranstaltung sollen diese eigenwilligen Raum-Zeit-Konzeptionen in Gilliams Filmen ausgearbeitet und mit dem Vokabular komparatistischer Raumtheorien (Foucault, Bachtin, Irigaray, Lotman) analysiert werden. Die zentrale Frage wird dabei sein, ob sich diese meist im Rahmen der Literaturwissenschaft gebräuchlichen Termini auch auf filmische Raum-Zeit-Gefüge anwenden lassen.
Anhand der ungewöhnlichen Raum-Zeit-Konzeptionen in den Filmen von Terry Gilliam, die zwischen utopischen (Alb)Traumszenarien (z.B.: „Time Bandits“, „Brazil“, „Twelve Monkeys), phantastischen Märchenwelten (z.B. „Jabberwocky“, „Brothers Grimm“) und surrealen Ent- bzw. Verortungen („Fear and Loathing in Las Vegas“, „Tideland“) pendeln, soll die Übertragung von Foucaults und Bachtins Begrifflichkeit auf das Medium Film erprobt werden. Im Rahmen der LV werden in Referaten, Diskussionsrunden und Arbeitsgruppen die literaturwissenschaftlichen Theoreme von Raum und Zeit auf den Film angewandt. Die intermediale Tragfähigkeit der Begriffe „Heterotopie“, Heterochronie“ und „Chronotopos“ wird dabei eingehend untersucht und zur Diskussion gestellt.
Um die LV positiv abzuschließen, muss ein Referat (Zeitrahmen ca. 30 min.) gehalten, sowie eine schriftliche Arbeit (entweder in Form einer Proseminar-Arbeit (Umfang ca. 15 Seiten) oder eines Essays (ca. 6 Seiten)) verfasst werden. Zusätzlich wird die aktive Beteiligung an den Diskussionen in die Benotung miteinbezogen.
1.Bachtin, Michail M.: Chronotopos. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2008. (suhrkamp tb wissenschaft 1879) 2.Foucault, Michel: Die Heterotopien. Der utopische Körper. Zwei Radiovorträge. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2005. 3.Foucault, Michel: Von anderen Räumen (1967). In: Dünne, Jörg und Günzel, Stephan (Hg.): Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2006, S. 317-330. 4.Gilliam, Terry: Gilliam on Gilliam. Big animator is watching you. ed. by Ian Christie. London: Faber 1999. 5.Irigaray, Luce: Der Ort, der Zwischenraum (1984). In: Dünne, Jörg und Günzel, Stephan (Hg.): Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2006, S. 244-261. 6.Kienast, Welf: Terry Gilliam und seine Filme. Marburg: Schüren Presseverl. 2001. 7.Marks, Peter: Terry Gilliam. Manchester: Manchester University Press 2009. (British Film Makers). 8.Rohmer, Eric: Film, eine Kunst der Raumorganisation (1948). In: Dünne, Jörg und Günzel, Stephan (Hg.): Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2006, S. 515-529.
Beginn: Di, 09.03., 10:00-11:30 Vorbesprechung
Gruppe 0
Datum Uhrzeit Ort
Di 09.03.2010
10.00 - 11.30 40105 SR 40105 SR
Fr 19.03.2010
09.00 - 18.00 40105 SR 40105 SR
Sa 27.03.2010
09.00 - 18.00 40105 SR 40105 SR
Fr 21.05.2010
09.00 - 18.00 HS Schöpfstrasse HS Schöpfstrasse Barrierefrei
Fr 11.06.2010
09.00 - 18.00 40105 SR 40105 SR