645620 Kulturelle Dynamik und Pluralisierung: Do-it-yourself zwischen Alltagspraxis, Konsum und Subversion. Zur kulturellen Logik des Selbermachens

Sommersemester 2017 | Stand: 06.09.2017 LV auf Merkliste setzen
645620
Kulturelle Dynamik und Pluralisierung: Do-it-yourself zwischen Alltagspraxis, Konsum und Subversion. Zur kulturellen Logik des Selbermachens
VU 2
5
wöch.
jährlich
Deutsch

Ausgehend von einer in einem offenen ethnographischen Prozess gesammelten Praxisfeldern von aktuellem DIY ist es das Ziel, mittels von den Studierenden erarbeiteten empirischen Mikrostudien ein gesellschaftliches Phänomen präzise zu erfassen und die wissenschaftlichen Deutungskompetenz unseres Faches sichtbar zu machen durch die Präsentation entsprechender Forschungsresultate in verschiedenen kulturwissenschaftlichen Wissensformaten.

Methodisch werden parallel dazu erste Sondierungen unternommen in Praxis- und Diskursfelder, die von den Studierenden selber bestimmt werden. Mögliche Themen sind: urban gardening, DIY und Hardcore-Szene, Bienenzucht, „neues Stricken“, Fahrradreparatur und -bastelei, 3D-Drucker, Eigenbau-Software, Renaissance von Handwerk und Handwerkskursen, u. a. Ziel ist stets die Ausrichtung der mikroperspektivischen Befunde auf gesamtgesellschaftliche Kontexte. Lernziele sind dabei die Rahmung eines bearbeitbaren Forschungsvorhabens, die methodische Umsetzung der Fragestellung und die konkrete Durchführung. Dabei üben sich die Studierenden in der Anwendung ethnographischer Forschungsmethoden (Interviews, Film- und Fotodokumentationen, teilnehmende Beobachtung, Dokumentenanalyse, ...).

Das Seminar beschäftigt sich aus kulturwissenschaftlicher, europäisch-ethnologischer Perspektive mit den aktuellen Diskursen und Praktiken rund um Selbermachen. Dabei geht die Lehrveranstaltung von der Beobachtung aus, dass Selbermachen einerseits eine alltägliche und gerade in Zeiten materieller Not verbreitete Selbstverständlichkeit ist. Andererseits lässt sich gegenwärtig eine Zunahme der seit den 1960er-Jahren bestehenden Do-it-yourself-Praktiken beobachten, die einhergeht mit der ubiquitär medialen Verhandlung entsprechender Tätigkeiten. Die mit diesen Diskursen wie den Praktiken verbundenen Utopie-Überschüsse verlangen nach einer kulturwissenschaftlichen Fokussierung. Dabei ist es das Ziel, DIY und Selbermachen sowohl als Phänomene im Rahmen moralischer Ökonomien, wie auch als sinnstiftende Lebenspraxis zu analysieren.

Selbermachen wird im Seminar also als vielfältiges und multiperspektivisches Phänomen verstanden, an dem sich gesellschaftliche Diskurse, individuell-kollektive Praxen und gemeinschaftlich ausgehandelte Wirklichkeiten bündeln. Die entsprechenden Schnittstellen zu ökonomischen Kontexten, künstlicher-interventionistischen Ausdrucksmitteln und zu sozialpolitischen Instrumenten sind ebenso vielfältig, wie sie zugleich jenseits hegemonial-absichtsvoller Deutungen und markgängiger Setzungen weitgehend ungeklärt sind.

Im ersten Teil der Lehrveranstaltung sollen die theoretischen Voraussetzungen des Seminars erarbeitet werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Auseinandersetzung mit den wechselnden Konjunkturen von „Selbermachen“. Durch eine auch historische Perspektivierung soll dabei ein diskurskritischer Umgang mit den zahlreich vorhandenen populären „Anleitungen“ und „Ratgebern“ ermöglicht werden und dabei auch nach gegenwärtigen Wissens-Formaten von DIY gefragt werden (Web, Blogs, Chat-Groups, ...). Diese Lektüre von grundlegenden Texten soll den Studierenden ermöglichen, den aktuellen „Boom“ des Phänomens kritisch zu reflektieren und gesellschaftspolitisch einzuordnen. Wir beschäftigen uns mit den unklaren Begrifflichkeiten von Selbermachen/DIY, mit verschiedenen Genesen und den entsprechenden dazugehörenden Narrativen, mit der virulenten gender-Dimension entsprechenden Redens und Tuns und mit den (in bisherigen Arbeiten meist vernachlässigten) ökonomischen Aspekten dieser Praxen zwischen Heimwerkermarkt und Nischenökonomie. Grundlegend wird auch die Auseinandersetzung mit dem mit Selbermachen/DIY verbundenen normativen Wertvorstellungen, gesellschaftsverändernden Utopien und wirklichkeitsprägender Normativitäten fokussiert. Ein spezielles Interesse gilt den komplexen Relationen zwischen Selbermachen und urbanen Räumen.


 

Die Lehrveranstaltung verbindet praxistheoretische mit diskursanalytischen Perspektiven, um die enge Verbindung von Handlungsweisen und Reden, von nicht-verbalen Tätigkeiten und formulierten Deutungen sichtbar werden zu lassen.

Schriftliche Ausarbeitung eines ausgewählten empirischen Fallbeispiels

Lehrveranstaltungsbegleitend: Vorbereitung der Lektüre, aktive Teilnahme an den Diskussionen, Präsentation eines Textes, Präsentation erster Forschungsresultate zur Feldforschung.

Wird bekanntgegeben, als Einführung:

Crawford, Matthew B.: Ich schraube, also bin ich. Vom Glück, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen, Berlin 2010.

Langreiter, Nikola: Kulturen des Selbermachens in Transition. Flicken zum Beispiel, in: Berger, Karl C., Schindler, Margot; Schneider, Ingo (Hg.), Stofflichkeit in der Kultur, Wien 2015, S. 157-167.

Langreiter, Nikola; Löffler, Klara (Hg.): Selber machen. Diskurse und Praktiken des „Do it yourself“. (Edition Kulturwissenschaften). Bielefeld 2017.

Schulze, Mario: "FreiZeitArbeit. Zum Verhältnis von Freizeit und Arbeit anhand der Entstehung des Heimwerkens in Deutschland von 1918 bis 1970", in: sinnprovinz 1(2012)

Vosse, Corinna: Do-It-Yourself und Nachhaltiger Konsum - Selbermachen im Bedeutungswandel, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen 26:1 (2013), S. 90-95.

08.03.2017
Gruppe 0
Datum Uhrzeit Ort
Mi 08.03.2017
12.00 - 13.30 52U105 52U105 Barrierefrei
Mi 15.03.2017
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Mi 22.03.2017
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Mi 05.04.2017
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Mi 26.04.2017
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Mi 03.05.2017
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Mi 10.05.2017
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Mi 17.05.2017
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