603051 Der (im)perfekte Mensch. Theorie und Kritik der Normalität: Kulturen der Krankheit

Sommersemester 2011 | Stand: 14.09.2023 LV auf Merkliste setzen
603051
Der (im)perfekte Mensch. Theorie und Kritik der Normalität: Kulturen der Krankheit
SE 2
6
14tg.
jährlich
Deutsch
Die sozialen und kulturellen Muster einer Zeit sind eng mit den kollektiven Symptombildungen verbunden und diese wiederum zeigen symptomatisch auf den Zustand einer Gesellschaft, respektive darauf, was in einer bestimmten historischen Zeit als ihr Zustand erkannt und verhandelt werden will. Die Lehrveranstaltung verfolgt das Ziel, Normalität als stabiles Metakonzept der Moderne auszuarbeiten, die Konzepte von Krankheit und Gesundheit als wandlungsfähige Regulative in diesem Prozess herauszustellen und für einen kritisch reflexiven Umgang mit zeittypischen Krankheitsbildern und ihren dominanten (vergeschlechtlichten) Erklärungstypologien zu sensibilisieren und für eine machtanalytisch reflektierte normalitätskritische Erziehungswissenschaft fruchtbar zu machen.
Entstehung und Transformation der Leiden der Seele, die den Körper zum Austragungsort nehmen, stehen im Zentrum der Lehrveranstaltung. Dabei wird ausgehend von den dominanten psychischen Erkrankungen der Jetztzeit (den depressiven Erschöpfungen, Angsterkrankungen und Essstörungen aller Art) die Geschichte des psycho-somatischen Krankheitspanoramas bis in die Anfänge zurückverfolgt, bis in die Zeit des Auftauchens der „großen“ Psychopathologien im langen 19. Jahrhundert insbesondere in seinen Übergängen zum 20. Es ist die Zeit der Neurasthenien, Hysterien, traumatischen Neurosen und aller Formen der sexuellen Irritation. Ohne Zweifel hat dieser Auftritt der ‚Leiden der Seele im Körper’ in Gestalt der „neuen Nervenkrankeiten“ um 1900 seine Hinterbühne in den zwei Jahrhunderten davor, in der „Zeitkrankheit“ der Melancholie und Hypochondrie, sowie allgemeiner in der Konstituierung des vernünftigen Subjekts durch die Exkommunikation des Wahnsinns und ihre geschlechtstypische Zuspitzung in der Pathologisierung der Differenz bereits im Verlauf des 18. Jahrhunderts. Nie aber wurde der geschlechtstypischen Psychopathologie eine derart große Bedeutung zugemessen, nie hat sie eine derart breite – weit über die Medizin und Psychiatrie hinausweisende Diskussion – entfaltet und nie spielte sie eine derart zentrale Rolle in der bio-sozio-medinzinischen Wissensbildung wie um die vorletzte Jahrhundertwende.
Die Lehrveranstaltung gliedert sich in vier Teile. In einen ersten Teil (1Einheit), der als Vorbesprechung und Themenfindung für die Beteiligten konzipiert ist, in einen zweiten Teil (2 Einheiten), in der die LV-Leiterin ausführlich in das Thema einführt, in einen dritten Teil (2 Einheiten), der als eine Art Laboratorium geführt wird und, in dem gemeinsam und an historischem Textmaterial exemplarisch das diskursanalytische Verfahren erprobt werden kann und in einen letzten Präsentationsteil (ein ganzer Tag). An diesem findet eine kleine Forschungskonferenz unter den Beteiligten statt, an der die erstellten Bearbeitungen und Studien präsentiert und diskutiert werden.
Durchgängige Teilnahme am Seminar, eigene Arbeit zur Geschichte und Aktualität einer zeit- und geschlechtstypischen Diagnose, Präsentation der Analyse bei der Forschungskonferenz und Abgabe der verschriftlichten Präsentation unter Einarbeitung der Diskussionen bei der Forschungskonferenz.
Gemeinsame Lektüre: ausgewählte Kapitel aus: Michaela Ralser. Das Subjekt der normalität. Das Wissensarchiv der Psychiatrie. Kulturen der Krankheit um 1900, Wilhelm-Fink-Verlag 2010 Wahlweise Lektüren: Die Texte und Themen werden zu Beginn der Lehrveranstaltung vorgestellt und im Laufe der Lehrveranstaltung in Lesegruppen erarbeitet
Beginn: 08.03.2011
Gruppe 0
Datum Uhrzeit Ort
Di 08.03.2011
16.00 - 19.00 KR Liebeneggstraße KR Liebeneggstraße Barrierefrei
Di 22.03.2011
16.00 - 19.00 KR Liebeneggstraße KR Liebeneggstraße Barrierefrei
Di 05.04.2011
16.00 - 19.00 KR Liebeneggstraße KR Liebeneggstraße Barrierefrei
Di 03.05.2011
16.00 - 19.00 KR Liebeneggstraße KR Liebeneggstraße Barrierefrei
Di 17.05.2011
16.00 - 19.00 KR Liebeneggstraße KR Liebeneggstraße Barrierefrei
Di 31.05.2011
16.00 - 19.00 KR Liebeneggstraße KR Liebeneggstraße Barrierefrei
Di 14.06.2011
16.00 - 19.00 KR Liebeneggstraße KR Liebeneggstraße Barrierefrei
Di 28.06.2011
16.00 - 19.00 KR Liebeneggstraße KR Liebeneggstraße Barrierefrei